Wie können sich Unternehmen im Recruiting erfolgreich unterscheiden?

Rückblick

Wie können sich Unternehmen im Recruiting erfolgreich unterscheiden?
(Tobias Gees, Michel Ganouchi, Michaela Geiger, Matthias Mölleney (v.l.n.r.))

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Im Zunfthaus zur Zimmerleuten wurden den ZPRG-Mitgliedern innovative Wege zum Personalmarketing und Recruiting präsentiert.

Ab 2020 geht die Generation der Babyboomer in Pension: Für zwei ausscheidende Fachkräfte rückt nur noch eine Person in den Arbeitsmarkt nach. Unternehmen müssen sich daher mittels Employer Branding und Personalmarketing überzeugend auf dem umkämpften Markt der Stellensuchenden positionieren, um sich qualifizierte Mitarbeitende zu sichern. Wie tun sie das und was folgt nach einer Kampagne? Wie werden die Versprechen im Unternehmen erfolgreich implementiert, damit es nicht bei leeren Versprechen bleibt? Auf diese Fragen gaben Tobias Gees, Senior Campaign Manager bei der Baloise Group, Michel Ganouchi, Experte für Employer Branding und Inhaber von recruma gmbh sowie Matthias Mölleney, ex-HR-Chef Swissair und Leiter des Centers for HRM & Leadership an der HWZ unter der Gesprächsleitung von Michaela Geiger, Chefredaktorin von Persorama, im Zunfthaus zur Zimmerleuten spannende Antworten.

Muster brechen und mutig neue Wege gehen

Den Auftakt machte Tobias Gees. In seinem Input-Referat gab er Einblicke in die derzeit vielbeachtete
Employer-Branding-Kampagne «#worklifebaloise». Mit dieser möchte Baloise mit dem konservativen Branchen-Image brechen und den Ruf als innovative Arbeitgeberin ausbauen. Dass man dabei den CEO für die Kampagne mit ins Boot geholt hat, sei wichtig gewesen – «für die Glaubwürdigkeit ein quick win», so Gees. Für einen Imagewechsel reiche das jedoch nicht. Einmal sei keinmal. Man müsse nun kontinuierlich dranbleiben. Als Gallisches Dorf, so bezeichnet Gees die Baloise, sei es nun wichtig, dass Branding, Marketing, HR und Kommunikation zusammenarbeiten. Nur so könne die angestrebte Soll-Positionierung als innovative Arbeitgeberin nach Innen und Aussen auch erreicht werden. Muster brechen als Erfolgskriterium? Ja, ist Gees überzeugt und ging selbst mit gutem Beispiel voran, indem er für den Agenturpitch zur Kampagne Handzeichnungen als Briefing schickte. Die Agenturen hätten sich gefreut, nicht wie häufig üblich eine 25-seitige Bleiwüste zu erhalten und auch verstanden, was man wolle.

Es gibt kein Patentrezept für Personalmarketing und -recruting

Bei der anschliessenden von Michaela Geiger geführten Diskussionsrunde wird schnell klar, dass es kein Patentrezept gibt für ein gelungenes und wirksames Recruting. Dafür ist das Thema zu vielschichtig und komplex. Die Experten diskutieren wichtige Ansätze und kamen zum Schluss, dass jedes Unternehmen letztlich für sich die richtige Strategie entwickeln muss.

Die 10 wichtigsten Takeaways der spannenden Diskussionsrunde:

  1. Es braucht einen Paradigmenwechsel in Unternehmen. Die personellen Ressourcen müssten gleichwertig mit finanziellen Ressourcen betrachtet werden. Damit käme das HR aus seiner Dienstleistungsqualität heraus in eine strategische Position, in der es auch Budget für Recruting gibt. Das HR müsste dann nicht länger Bittstellerin sein.
  2. Kommunikation und HR können zwar Unterstützer sein bei der Transformation von einer klassischen zu einer agilen Organisation. Die Transformation muss aber von der Geschäftsleitung vorgelebt und getragen werden. Es gilt die Mitarbeitenden zu unterstützen und zu befähigen. Sonst entstehen Schattenorganisationen mit Überforderungs- und Angstzuständen.
  3. Wie sich eine Organisation als Arbeitgeber im Markt differenziert, sollte im Prozess der Positionierung erarbeitet werden. Innovativ und agil reichen als Differenzierungsmerkmale im Markt nicht aus, weils schlicht jeder von sich behauptet.
  4. Das Spannungsfeld zwischen einer Sollpositionierung und einer gelebten Ist-Kultur, gilt es strategisch genau zu definieren. Hier ist Authentizität gefragt. Wenn Interessenten einen grossen Gap erfahren, kündigen sie während der Probezeit und ein Jahressalär ist weg.
  5. Employer Branding und Personalmarketing sind zwei paar Schuhe. Employer Branding legt die strategischen Grundlagen in Bezug auf Identitäts- und Markenfindungsprozesse und dient der strategischen Positionierung als Arbeitgeber/in. Idealerweise erarbeiten diese Strategien HR, Branding, Marketing und Kommunikation zusammen. Personalmarketing ist die Ausführung/operative Umsetzung und das, was von aussen wahrgenommen wird.
  6. Silos auflösen: Wenn HR, Marketing und Kommunikation in einem Circle zusammenarbeiten, entsteht die Chance von effektiven Lösungsansätzen beim Recruting. Achtung: nicht in alte Strukturen verfallen mit müden Arbeitskreisen. Es sollten fachkompetente und engagierte Mitarbeitende im Circle sein, die sich eigenständig einbringen.
  7. Strategien bieten Grundlagen, die man stringent nach innen und aussen auf der gesamten Klaviatur der vorhandenen Instrumente bespielen kann (kulturwirksam, prozesswirksam oder kommunikationswirksam). Im Idealfall harmonisch abgestimmt. Was in der Strategie definiert wird, muss in die Führungslinie übertragen und gelebt werden, sonst wird das Unternehmen als unglaubwürdig wahrgenommen. Hier liegt erfahrungsgemäss die grösste Hürde. Es ist ein stetiges Dranbelieben gefragt. Kreativkonzepte folgen den strategischen Grundlagen und bilden die Basis für die visuelle und verbale Kommunikation im Recruting-Prozess.
  8. Das beste Personalmarketing nutzt nichts, wenn im Recruting-Prozess ein Bruch ist. Die Touchpoints der Interessenten müssen reibungslos funktionieren. Zum Beispiel müssen Karriereseiten immer einwandfrei aufrufbar sein und Onlinebewerbungen leicht einzureichen.
  9. Klug handeln: Budget sinnvoll einsetzten, nicht alles auf ein Stellenportal setzen. Mitarbeitende sind die besten Testimonials, wenn die Weiterempfehlungsrate hoch ist. Die Zielgruppe genau kennen und versuchen zu erreichen. Häufig werden nur 20 Prozent der Zielgruppe erreicht. Wenn man bspw. an Hochschultagen AbsolventInnen anwerben möchte, sollte man junge Mitarbeitende als Ansprechpartner vor Ort haben. Junge Menschen unterhalten sich lieber mit ihresgleichen auf Augenhöhe als von Personalverantwortlichen oder Werbekampagnen zu hören, wie gut die Organisation ist. Im Rahmen der eigenen Identität und Positionierung im Multichanel-Ansatz mutig Neues ausprobieren und herausfinden was funktioniert.
  10. Arbeitgeberpositionierung und Recruting ist kein Projekt, sondern ein Dauerthema. Die Unternehmenskultur ist wichtig für die Gewinnung von Mitarbeitenden: spannende Zukunftsprojekte, Kollegialität, aktiv gefördertes Mitunternehmertum, Delegation von Verantwortung in die Teams. Das ist attraktiv. Es braucht nicht nur die Kampagne nach aussen, sondern auch das Leben nach innen.

Beim anschliessenden Apéro wurde im Zunfthaus zur Zimmerleuten inspiriert weiter diskutiert.

«Es hat sich gelohnt, zu dieser Veranstaltung zu kommen und Dank dieser fachkompetenten Gesprächsrunde mit HR-Profis einmal mehr über den eigenen Kommunikations-Tellerrand zu schauen. Auch die Gespräche beim Apéro waren sehr inspirierend», fasst ein ZPRG-Mitglied seine Eindrücke des ZPRG-Anlasses im Zunfthaus zur Zimmerleuten in Zürich zusammen.

 

Für den ZPRG-Vorstand,

Annette Pfizenmayer

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